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Erzbischof Eduard Profittlich

röm.-kath. Erzbischof
* 1890   † 1942

"Ich erkannte, dass es Gottes Wille sei, dass ich hier bleibe."

LEBENS- UND LEIDENSWEG VON EDUARD PROFITTLICH SJ, ERZBISCHOF IN TALLINN, ESTLAND

Eduard Gottlieb Profittlich wurde am 11. September 1890 in Birresdorf, Kreis Ahrweiler, geboren. Nach seinem Abitur 1912 trat er zunächst in das Priesterseminar Trier ein und wurde schließlich Novize des Jesuitenordens. 1922 erfolgte die Diakonenweihe und einige Monate darauf die Weihe zum Priester. 1923 wurde er zum Doktor der Philosophie und ein Jahr später zum Doktor der Theologie in Krakau promoviert. In den darauffolgenden Jahren wirkte er als Priester in Czechowitz-Dzieditz, Oppeln und schließlich in der polnischen Gemeinde in Hamburg.

Im Februar 1930 legte er die ewige Profess ab; im Dezember wurde er Pfarrer in der Gemeinde Hl. Peter und Paul in Tallinn. Diese Aufgabe übertrug man ihm, da er die notwendigen Sprachkenntnisse mitbrachte und bereits Erfahrungen in der Seelsorge an den Polen gesammelt hatte. Im Mai 1931 wurde Estland als Apostolische Administratur der päpstlichen Commissio pro Russia unterstellt, E. Profittlich zum Apostolischen Administrator ernannt. Fünf Jahre später, am 27. Dezember 1936 empfing er die Bischofsweihe.

In seinem Seelsorgebereich widmete er sich der religiösen Erziehung der Jugend, der Evangelisierung der Erwachsenen und unternahm den Versuch der Annäherung an Protestanten und Orthodoxe. Die Seelsorge war durch die geringe Zahl der Katholiken, deren Armut, Vielsprachigkeit und Zerstreuung über das ganze Land ungemein erschwert. Aber nicht nur im innerkirchlichen Leben ging es aufwärts; auch die Öffentlichkeit begann sich für die katholische Kirche zu interessieren: Die Predigten wurden auch von Andersgläubigen gern vernommen, das katholische Monatsblatt von vielen Menschen gelesen.

Am 23. August 1939 schließen Deutschland und die Sowjetunion einen Nichtangriffspakt, am 28.9. einen Freundschafts- und Grenzvertrag, wobei in zwei geheimen Zusatzprotokollen die gemeinsamen Interessensphären garantiert werden. Nach einer Erklärung Hitlers vor dem Reichstag am 6. 10., in der eine Umsiedlung der Deutschbalten gefordert wird, verlassen bis Mitte Dezember fast 12000 Estland-Deutsche ihre Heimat. Am 17. Juni 1940 rücken sowjetische Truppen in Estland ein.

Im Herbst berichtet der Erzbischof nach Rom über die nun gänzlich veränderte Situation: Gebäude von Kirche und Nuntiatur werden unentgeltlich mit Beschlag belegt, die Einziehung des Kirchenvermögens ist bereits in Sicht. Schwierigkeiten gibt es bei der Erteilung des Religionsunterrichts. Gerade unter der Jugend ist die massive Beeinflussung durch die Kommunisten zu spüren: Kinder lehnen weiteren Unterricht ab, Eltern fürchten, ihre Stelle zu verlieren.

Über die Zeitungen setzt eine antireligiöse Propaganda ein.

Die Antwort aus Rom ermutigt ihn, bei der Gemeinde in Estland zu bleiben: Ich habe mich nun endgültig entschlossen, nicht nach Deutschland zurückzukehren. Ich tue das mit großer Bereitwilligkeit, ja ich kann wohl sagen, mit großer Freude. Wenn ich auch in keiner Weise voraussagen und voraussehen kann, wie nun mein Lebensweg verlaufen wird, welche Opfer noch auf mich warten, so gehe ich doch diesen Weg mit großem Vertrauen auf Gott, fest überzeugt, dass, wenn Gott mit mir gehen wird, ich nie allein sein werde.In weiteren Briefen nach Rom zeigt sich, dass Profittlich mit seinen Voraussagen richtig lag. Enteignung von kirchlichen Häusern und Kirchen folgten. Für letztere dachte man ein Mitgebrauchsrecht durch die Orthodoxen an. Auf den antireligiösen Druck reagierte man folgendermaßen: Da manche auch am Sonntag zur Arbeit müssen und die Geschäfte am Sonntagmorgen geöffnet sind, haben wir, wenigstens in der Hauptstadt, schon die Abendmesse eingeführt, die gut besucht wird. Wir gedenken das beizubehalten, ja vielleicht noch weiter auszudehnen.

Mit Blick auf seine Angehörigen nimmt er in dieser Zeit Abschied: Ich erkannte, dass es Gottes Wille sei, dass ich hier bleibe. Konsequenzen: kein Schriftverkehr mit den Verwandten mehr möglich, zukünftige Schutzlosigkeit gegenüber dem religionsfeindlichen Sowjetsystem.

"Es ziemt sich sich ja wohl, dass der Hirte bei seiner Herde bleibt und mit ihr Freud und Leid gemeinsam trägt. Mein Leben und, wenn es sein soll, mein Sterben wird ein Leben und Sterben für Christus sein. Und das ist überaus schön."

Noch heute ist unvergessen, was sich am 14. Juni 1941 im Baltikum ereignete. Die sowjetische Geheimpolizei verhaftet und verschleppt Oppositionelle als sogenannte konterrevolutionäre und feindliche Elemente. Aus Estland werden über 10000 Menschen in die innere Sowjetunion deportiert; 1000 verschwinden einfach. Auch E. Profittlichs Sorgen bestätigten sich sehr bald. Am 27. Juni, fünf Tage nach dem Einmarsch deutscher Truppen in die Sowjetunion, durchsuchten acht Beamte des NKWD sein Zimmer, warfen ihm Spionage für Deutschland vor und forderten ihn schließlich zum Mitgehen auf. Über die Verschleppung zu berichten, gelang einem Pater erst über zwei Monate später. Genaueres war jedoch nicht in Erfahrung zu bringen. Erst 1990 durfte die katholische Gemeinde in Tallinn etwas über die letzten Monate des Lebens ihres Bischofs erfahren.

Es existiert ein Vernehmungsprotokoll vom 2.8.1941 für Eduard Markusowitsch Profittlich. In den nächsten Monaten kam es zu weiteren Verhören. Seine negative Einschätzung der Religionspolitik der Sowjetunion wurde durch die zuständige Behörde als antisowjetische Propaganda eingestuft. Am 25. Oktober verlas man ihm in Kirow im Staatsgefängnis Nr. 1 die Anklageschrift. Die Anklage beinhaltete, feindlich gesinnt gegen die Sowjetunion und die kommunistische Partei die religiösen Gefühle der Massen auszunutzen, um antisowjetische Agitation zu verbreiten.

Am 21. November fand die Gerichtsverhandlung statt. Das Protokoll der Sitzung gibt seine letzte öffentliche Rede wieder, in der es u. a. heißt: Während der Predigt habe ich aufgerufen, nicht auf die Gottesleugner zu hören, sondern an die Kirche zu denken. Ich sagte, dass es in der Sowjetunion keine Religionsfreiheit gibt.Trotz der Abwesenheit eines staatlichen Anklägers und eines Verteidigers folgte anschließend eine nichtöffentliche Sitzung der Kriminalgerichtskommission. Wegen eines angeblichen Vergehens verurteilte man E. Profittlich zu fünf Jahren Straf-und Arbeitslager und wegen konterrevolutionärer Tätigkeit und Agitation in der Kirche zum Tod durch Erschießen. Das Berufungsgesuch wurde umgehend abgelehnt. Am 24. April 1942 bestätigte der Oberste Sowjet das Urteil. Vollstreckt werden konnte es jedoch nicht, da er bereits am 22. Februar in der Haft in Kirow verstorben war.